Alterswarzen und sonstige Widrigkeiten des Menschseins

Da wuchs der Flussfrau doch etwas im Gesicht.
Etwas, dass da ganz offensichtlich nicht hingehörte.
Fleckig dieses Etwas und von bräunlicher Farbe und nicht wirklich hübsch anzusehen.

„Klarer Fall von Alterslepra“, meinte abgeklärt der kleine Wassermann.
„Sicher nur eine Riesensommersprosse, kaum zu sehen“, log der grosse Wassermann.

„Ob Lepra, Beulenpest oder Fleckengeschwür, es sieht fürchterlich aus, so kann ich nicht mehr unter Leute gehen“, heulte das eitle Flussweib und begab sich schnurstracks zum Arzt.

„Aha, eine Alterswarze“, diagnostizierte unbeeindruckt die Fachfrau. „Völlig harmlos, die mach ich Ihnen gleich weg.“ Und legte unverzüglich Hand an.

Und während die Flussfrau noch mit der Tatsache haderte, dass sie von Auswüchsen befallen war, die sie bis anhin nur auf Nasen von bösen Hexen wähnte, doppelte Frau Doktor süsslich nach: „Aber gegen ihre Fältchen haben wir schon länger nichts mehr gemacht, gell!“

Hoppla, jetzt kams dick und die Flussfrau wusste mit einem Schlag, dass sich ihre naive Hoffnung auf ein klitzekleines Quäntchen ewige Jugend soeben zerschlagen hatte. Endgültig und ein für alle Mal, ausgeträumt das straffe Träumchen, zumindest nach dem ernsten Gesicht der Frau Doktor zu urteilen.

Aber noch wollte die Flussfrau nicht ganz aufgeben. So leicht gibt man sich als mittelalte Frau nicht geschlagen! Vielleicht war ihr Gegenüber ja nur einer Täuschung des Lichts auf den Leim gegangen. Ja, ganz bestimmt so war das, und deshalb sagte sie tapfer:

„Aber Frau Doktor, gegen meine Fältchen haben wir doch noch nie etwas gemacht!“
„Nicht? Wirklich nicht? Auch nicht gegen diese grossen, groben da beim Mundwinkel?“

Dätsch, bumm, doing, das sass. Gross und grob. Das klang nach Runzeln und Furchen und Schrumpeln und Krähenfüssen. Wüste Bilder, kaum zu verkraften und so verliess die Flussfrau die Praxis zwar ohne Warze dafür mit hundert Jahren auf dem krummen Buckel.

„Findet ihr mich runzlig?“ fragte sie vorsichtig ihre Männer beim Abendessen.
„Aber nein Liebste, du bist straff wie eine 29-jährige“, log der grosse Wassermann.
„Mami, du hast Falten, aber du bist trotzdem die Schönste“, meinte abgeklärt der kleine Wassermann.

Danach stand die Flussfrau lange vor dem Flussbauspiegel. Sie wurde also alt. Soweit die schlechten Neuigkeiten. So dann, wohl bekomms, oder eben auch nicht. Aber wenn das Unabdingbare nun schon da stand im Flussbau unübersehbar und offensichtlich, so wollte sie doch wenigstens Haltung bewahren. Und das Alter als wildes Weib willkommen heissen, ungebügelt und ungespritzt. So wahr sie hier schrieb.

Und das waren dann eindeutig die guten Nachrichten des Tages.

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