Der Murmelibau (Ein König Kimi-Blog)

Wenn einer eine Reise tut, so kann er durchaus in einem dunklen Loch enden.

Dabei hatte alles angefangen wie gehabt: Der Wassermann holte die Koffer aus dem Keller, die Flussfrau packte und packte und packte und der kleine Wassermann sang anschliessend im Auto lauthals sein Ferienlied. Natürlich habe ich auch wieder gekotzt, nur nicht mehr über den kleinen Wassermann (der sitzt jetzt ausserhalb der Schusslinie, vorne neben dem grossen Wassermann), sondern in ein Beckeli, welches mir die vorausschauende (und neuerdings neben mir sitzende) Flussfrau freundlicherweise vor die Schnauze hielt, wenns hochkam. Anfänglich frohlockte mein Rudel richtiggehend über mein gezieltes Kotzen. Doch irgendwann wurde es der Flussfrau,vom vielen ins Beckeli schauen, selber hundeelend und der grosse Wassermann musste sein Auto nach jeder zweiten Kurve an den Strassenrand fahren. So dauerte auch diese Reise qualvoll lange, und die Flussfrau stöhnte, nie nie nie mehr fahre sie nach Saas Fee, jetzt sei es ihr endgültig und für alle Zeiten verleidet. Und als wir dann die Berge sahen und die Bergluft rochen, waren alle wieder glücklich und sich einig, dass sich auch diese Märtyrerfahrt voll und ganz gelohnt hatte.

Täglich nach dem Frühstück schnürten die Zweibeiner ihre Schuhe und auf gings über Wiesen und Trampelpfade, Bächen und Seen entlang. Natürlich übernahm ich die Späherfunktion, denn ohne mich und meine gute Nase hätten sich die Städter doch an jeder zweiten Wegbiegung verlaufen. Natürlich war ich ab und zu etwas abgelenkt, so herrlich roch es an allen Ecken und Enden. Und während mein Rudel die Bergblumen bestaunte, folgte ich betörenden Gerüchen. Es duftete einladend, aufregend und neu und komplett anders als jede Hühner- und Entenspur.

Einmal da entdeckten die Zweibeiner eine so interessante Pflanze, dass sie mich total vergassen. Und da mir ausgerechnet in diesem Augenblick wieder dieser anregende Geruch in die Nase stieg, vergass ich meine Menschen ebenfalls und mein Jägerherz ging mit mir durch. Ich war dem unbekannten Duft so nahe wie nie zuvor, also gab ich Gas und konzentrierte mich voll und ganz auf die verlockende Spur. Es wurde eng und enger und dunkel und dunkler um mich herum und plötzlich war ich in besagtem Loch gefangen. Keinen Millimeter mehr konnte ich mich bewegen. Und vor mir (in einem Spalt so klein wie ein Mauseloch) sass ein Murmeli, das mich unverschämt frech angrinste. Dem hätte ich gerne gezeigt, wer der König der Berge ist, aber meine Lage war leider gerade alles andere als majestätisch. Zudem hörte ich von weit her mein Rudel rufen. Zuerst nur die Flussfrau, dann auch den kleinen Wassermann und schliesslich alle durcheinander: „Kimi, hier. Kimi, Fuss. Kimeli, kumm, Güdeli. Kimi wo bisch, gib doch Antwort! Kimeli, mhhhhh Fleischli.“ Hin- und her gerissen zwischen Murmeltier und Cervelat heulte ich meinem Rudel aus der Höhle empor und der kleine Wassermann erschrak und mutmasste, ich sei wohl schlimm verletzt und halb tot und fing ganz bitterlich an zu weinen. Darauf heulte ich zurück, und bald war auf 2200 Metern über Meer ein Riesengeflenne.

Der grosse Wassermann versuchte nun in die Höhle zu kriechen, was er aber ziemlich schnell wieder aufgab, weil jetzt die Flussfrau zu jammern anfing, er solle ja aufpassen, sie wolle nicht, dass zwei ihrer drei Männer für immer und ewig in diesem Loch verschollen blieben. Und der kleine Wassermann weinte immer lauter, bis der grosse Wassermann entschied: Es reicht, jetzt rufen wir die Polizei!

Der Polizist am andern Ende der Leitung meinte, selbstverständlich würde man den Hund retten, in dieser Höhe allerdings nur mit dem Helikopter und das Ganze würde ganz schön teuer werden. Der grosse Wassermann antwortete, es sei ihm egal, was es koste, Hauptsache sein Hündchen würde sicher geborgen.

Da wusste ich, dass es allerhöchste Zeit war, zu meinem Rudel zurückzukehren. Also gab ich mir einen Ruck und presste mich Richtung Ausgang hoch, was glücklicherweise funktionierte. Vor der Höhle lief ich mit meinem Hintern direkt in die Arme der Flussfrau. Und der grosse Wassermann sagte zu dem Polizisten, die Sache habe sich erledigt, der Hund sei eben wieder aufgetaucht. Der kleine Wassermann weinte nun vor Freude und die Flussfrau schrie mich an: „Du blöde Siech!“ Ja, Freunde, ihr habt richtig gelesen. Sie sagte nicht, „Oh mein Schätzeli, oh mein lieber, guter, mein bester Hund, endlich bist du wieder da.“ Nein, sie nannte mich, König Kimi von der Birs, e blöde Siech. Und einen Moment lang überlegte ich mir ernsthaft, in den Bau zurückzukehren. Doch dann sah ich, dass die Flussfrau Tränen in den Augen hatte, und beschloss, ihr die wenig herzliche Begrüssung zu verzeihen.

Am Abend dann, nach dem Alpabstieg, den ich (wie kleinlich)an der Leine begehen musste, wurde ich von allen gehätschelt und gekrault und mit einer dicken Bellwurst belohnt. Und endlich fand auch meine Flussfrau wieder die passenden Worte: „Oh mein lieber Bubeli, was hast du uns nur für einen Schrecken eingejagt, zum Glück bist du wieder da, was hätten wir bloss ohne dich gemacht, du liebstes Hündchen aller Zeiten!“

Und so beschloss ich, das Abenteuer Murmelibau als königlichen Erfolg auf der ganzen Linie zu verbuchen.