Birskopf Beschwerde

Vor vielen, vielen Jahren stand am Birskopf zu Basel ein Wohnwagen. Ich trug damals Lackschühchen und der Wohnwagen gehörte meinem Grossonkel. Es geistert die Geschichte herum, er sei dank des Teils reich geworden. Steinreich. Er und seine Frau verkauften den Ausflüglern Kaffee, Glacé, Wasser und Wein und selbstgemachten Kuchen. Das taten sie mit soviel Freude und Fleiss, dass die Millionen nur so hängen blieben. So zumindest die familieninterne Legende. Andere wiederum behaupten, das Geld sei von den Schmuggelgeschäften meines Grossonkels gekommen. Während des Krieges. Uns war die effektive Quelle des Geldes Wurst, wir waren stolz auf ihn, der einzige unserer Arbeitersippe, der es zu Reichtum gebracht hatte.

Wie auch immer: das Leben um den Wohnwagen meines Grossonkels herum war laut und lebendig. Die Erwachsenen redeten über Politik und wir Kinder hüpften in unsern glänzenden Schuhen von Himmel zu Hölle und wieder zurück. Und es wurde viel gelacht. An langen Sommerabenden und am Wochenende. Über den ständigen Pleitegeier im Portemonnaie (Ich fragte mich immer, wie der grosse Vogel nur in die kleinen Geldbörsen kam, und vor allem, wie er es schaffte, von dort wieder unbemerkt mit dem ganzen Geld zu verschwinden?), und über Witze, bei denen wir Kinder uns die Ohren zuhalten mussten. (Ja, das ging damals noch, man konnte den Kinder befehlen nicht hinzuhören, und dann hörten wir tatsächlich nicht hin, oder allenfalls nur sehr heimlich…) Auf jeden Fall hatte mein Grossonkel Freude an seinen Gästen und am Verkaufen. Und seine Frau auch und das spürten die Gäste und hatten somit Freude am Kaufen. Man blieb lange. Hockte auf selbst mitgebrachten Klappstühlen und konsumierte viel. Sogar wir Kinder bekamen zwei Glacés, was ansonsten ein striktes Tabu war, wegen dem besagten Pleitegeier.

Heute steht an diesem Ort ein Kaffee aus Holz gebaut. Mit einer richtigen Küche und Tischen und Stühlen. Leider ist das Kaffee fast immer geschlossen, auch an sonnigen Tagen. Ist es ausnahmsweise doch einmal geöffnet, stinkt es nach ranzigem Öl und nach der schlechten Laune seines Besitzers. Er hat ganz offensichtlich keine Freude: Weder am Verkaufen noch an seinen Gästen. Muss man als Birskopfbesucher ein Bisi, so zahlt man einen Franken. Geht man zusammen mit dem Kind pinkeln, so macht das zwei Franken. Ich glaube, den grössten Umsatz macht der Miesepeter mit seinem WC.

Man sieht nur noch selten Leute im Kaffee. Es ist ein trostloser Ort geworden. Freudlos wie sein Besitzer. Und in mir kocht jedes Mal die Wut, wenn ich vorbeigehe. Ganz gewaltig sogar. Ich glaube ein bisschen ist es auch der Geist meines Grossonkels, der sich da mitärgert. Und mich immer und immer wieder den Wunsch aussprechen lässt:

Gib das Kaffee ab, gib es in die Hände von jemandem, der gern Kuchen bäckt, und ihn den Gästen mit einem Lächeln serviert. Gib es jemandem, der den Rubel zum Rollen bringt, und den magischen Mündungsort wieder zu einem Treffpunkt macht! An dem Freude und Lachen sich treffen. Ist doch wahr, gopfnochmal!

Ps I: Kleine Info für alle nicht Basler: Am Birskopf mündet die Birs in den Rhein. Seit Generationen verbringen Frischlüftler jeglichen Alters dort ihre freie Sommerzeit. Fotos Birsköpfli
Ps II: Ab sofort wird über meine Blogs auch gezwitschert: Corinne Maiocchi